Ford Vedette, Vendôme (F492E, F22E)
SIMCA Vedette, Beaulieu, Chambord, Presidence

Baujahre: 1948 -1961 (ab 1954 unter SIMCA) in Poissy (F), Stockholm (S) und Amsterdam (NL), später in Brasilien und bei Chrysler in Australien, Stückzahl über 100.000, zudem 173.288 von SIMCA Frankreich
Motor: V8 Motor mit stehenden Ventile, Hubraum 2,158 und 2,35 Liter "Aquilon" oder 3,9 Liter "Mistral"
Kraftübertragung: Dreigang Schaltgetriebe (später a.W. Rush-Matic), Hinterradantrieb

Ford Vedette 1952
Ford Vedette 1952

Die neue Vedette wurde 1948 auf dem Pariser Salon präsentiert. Die ursprüngliche Konstruktion stammte jedoch aus Detroit, denn bei Ford USA sollte der Wagen zunächst das untere Marktsegment abdecken. Ford Frankreich Präsident Maurice Dollfus brachte die Pläne schon 1941 aus den USA mit zurück.
Der Seitenventil V8-60 Motor stammt aus den französischen Vorkriegs-Ford. Gebaut wurde der Fließheck Wagen nicht im neuen Werk Poissy, das noch unter Kriegsschäden litt, sondern bei Chausson. Das erklärt neben den schlechten Rohstoffen der Nachkriegszeit vielleicht auch die lausige Qualität, die die Vedette bald in Verruf brachte. Auch ihr Benzinverbrauch war für europäische Verhältnisse zu hoch.

1949 stieg die Motorleistung auf 60 PS, gleichzeitig sank der Verbrauch etwas. 1950 wird François Lehideux Präsident der Ford Société Anonyme Française, die Vedette bekommt ab Juni einen steiferen Rahmen. Auch 1952 gab es nur kleinere Modellpflegemaßnahmen mit neuen Stoßstangen und Interieur. Wirklich neu dagegen war die Fließheck-„Abeille“ (Biene) mit 500 kg Nutzlast.

Auf dem Pariser Salon 1952 wird eine neue Vedette vorgestellt, neben der Luxus-Version Vendôme (F39) mit dem 84 PS 3,9 Liter Motor aus dem Cargo-LKW. Obwohl der Seitenventilmotor nahezu unverändert blieb, waren die Kühlprobleme verschwunden. Auch die Bremsen wurden besser, die Windschutzscheibe ist nun ungeteilt und der Kofferraum größer. Die Ausstattung umfasst nun einen Zigarrenanzünder.

In einem Ford Verkaufsmagazin wurde 1956 zur Verkäuferschulung folgender Artikel veröffentlicht: Das war ein seltsamer Sommer für die alte Farm in der Nähe von Paris – jener Sommer des Jahres 1953.  Von Landwirtschaft verstanden die neuen Besitzer offensichtlich nicht viel.  Jedenfalls kümmerten sie sich nicht darum.  Sie hatten die Stallungen in eine Werkstatt verwandelt und arbeiteten darin herum, oft bis in die Nacht hinein.  An den Wochenenden kam meist Besuch aus der Stadt herangerollt.  Die Gäste verschwanden mit ihren Wagen hinter den hohen, alten, grauen Mauern des Anwesens, und was sie dort trieben, war jedem Vorübergehenden verborgen.  Hätte jemand über die Mauer geschaut, hätte er die wunderliche Beschäftigung jener Wochenend-Gäste beobachten können.  Aber es schaute niemand – und so blieb das, was dort hinter den sonnenbeschienenen Steinwänden geschah, für die Öffentlichkeit über ein Jahr lang echtes Geheimnis.
In ländlicher Abgeschiedenheit entstand ein Automobil, dessen Karosserieform Straßenpassanten veranlaßt, stehen zu bleiben und dieser stahlgepreßten Eleganz nachzuschauen.  Und bei Leuten, die etwas vom Automobil-Styling verstehen, rangiert der Wagen, der damals im Sonnenlicht eines milden, französischen Sommers wuchs, noch immer unter den Spitzenreitern moderner Karosseriegestaltung.
„Wir waren der Auffassung, daß sich eine neue Karosserieform nur unter freiem Himmel, vor richtigen Gebäuden, Bäumen und Mauern bewähren kann.  In einem geschlossenen Raum wirkt jedes Automobil anders als draußen.  Deshalb erwarben wir jene Farm und stellten die ersten Prototypen so früh wie möglich ins Freie, um sie anzusehen und zu fotografieren.  An vielen Wochenenden gingen wir hinaus zur Farm, um immer wieder aus neue auch die feinsten Einzelheiten zu besprechen.  Es sah aus wie das Kurbeln eines Hollywoodfilms, aber es wurden dabei noch viele Schönheitsfehler entdeckt und korrigiert.“  Das erzählt jener Mann, der für die Entwicklung jenes Wagens verantwortlich war, J. A. Gutzeit, seit dem 1. Januar 1956 Direktor des Technischen Büros der Ford Werke Köln.
Die Entwicklungsarbeiten für den neuen Vedette wurden Anfang 1953 gleichzeitig auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans begonnen, in Dearborn und in Paris.  Die Aufgabe war nicht leicht, denn es mußten mehrere – teils gegensätzliche – Forderungen erfüllt werden.
Es galt, einen vollwertigen 6-Sitzer zu bauen, der rund 125 kg leichter sein sollte als sein Vorgänger.  Ferner wurde verlangt:

•    Ein sehr moderner und eleganter Stil der Karosserie
•    Eine nach europäischen Begriffen ausgezeichnete Straßenlage
•    Eine erhöhte Beschleunigung und größere Spitzengeschwindigkeit als bei dem alten Vedette
•    Ein niedrigerer Kraftstoffverbrauch als beim Vorgänger-Modell
•    Das neue Modell mußte ein unbedingtes Geheimnis bis zum Herbst 1954 bleiben
•    Das neue Fahrzeug mußte im Oktober 1954 reif für die Serienproduktion sein

Diese Skala der Wünsche zeigt deutlich, wie vielfältig die Anforderungen sind, die an einen Automobilkonstrukteur gestellt werden.  Er muß seine eigenen, technischen Vorstellungen von dem neuen Typ den Möglichkeiten der Produktion, den Rechenexempeln der Kalkulation und den Forderungen des Marktes anpassen.  Manch ein guter Konstrukteur ist gescheitert, weil er übersah, daß der Bau von Automobilen in unserer Zeit mehr als eine rein technische Aufgabe ist.  J. A. Gutzeit hat mit der Entwicklung des neuen Vedette ein glänzendes Beispiel zeitgenössischer Konstruktions-Arbeit gegeben.
Der erste Styling-Entwurf wurde im Maßstab 1:1 auf schwarzem Papier vorgeführt.  Dieser Entwurf stammte aus den Styling-Büros von Dearborn.  Das war im Februar 1953.  Änderungen an der Linienführung wurden noch vorgenommen, als das erste Gipsmodell in Lebensgröße vorgeführt wurde, und zwar im März desselben Jahres.  Die Ausführung sämtlicher Konstruktionsarbeiten an der Karosse wurde in Paris unter Leitung von Mr. L.E.Boysel von der Ford International Division geleitet.  Das erste Modell war ein Trianon.  In Poissy wurden dann im Laufe des Jahres 1953 die PKW-Versionen Versailles und Régence, sowie der Kombiwagen Marly entwickelt.  Änderungen des Stils wurden von April 1953 ab nicht mehr akzeptiert.“
Das gesamte Projekt konnte tatsächlich bis zum Herbst 1954 geheim gehalten werden.  Der Grund: „Fast alle Gesenke und Preßwerkzeuge wurden in Deutschland angefertigt.“
Der erste Versailles als Serienwagen lief am 20. Oktober 1954 vom Fließband in Poissy, damit war der Terminplan exakt eingehalten. 20 Monate betrug die Entwicklungszeit vom ersten Entwurf bis zum Produktionsbeginn.  In diesen 20 Monaten geschah eine ganze Menge.  Aber lassen wir besser J.A.Gutzeit erzählen, denn er war dabei:
„Um das Geheimnis zu wahren, wurden die Versuche und Dauererprobungen der ersten Prototypen in Amerika und in Deutschland vorgenommen.  Die Straßenerprobungen in Deutschland begannen im Dezember 1953 in der Gegend von Siegburg und erstreckten sich bis in den Hochsommer 1954.  Um eine möglichst sichere Kenntnis von den Fähigkeiten des neuen Produkt zu erhalten, wurden zwei Prototypen je 70.000 km auf ganz schlechten deutschen Straßen im Winter 1953 und im Frühjahr und Sommer 1954 gefahren.  Zwei Testspezialisten kamen aus Amerika und acht Testfahrer aus Frankreich.  Es war wichtig, den alten Vedette über diese langen und schweren Strecken mitfahren zu lassen, um einen ganz objektiven Vergleich zu bekommen.  Als dabei drei der alten Vedette kaputt gefahren waren und an den neuen Fahrzeugen noch immer nichts passiert war, hatten wir den Beweis, daß der neue Wagen gut war und konnten unsere Sache sicher sein.  Diese Dauererprobungen in Deutschland wurden in drei Schichten Tag und Nacht durchgeführt.  Ein dritter Prototyp wurde in Dearborn auf den Versuchsbahnen der Ford Motor Company bis September 1954 weiter erprobt.  Zwei andere Prototypen wurden im Frühjahr 1954 auf Langstrecken in Frankreich eingesetzt – anfangs nur bei Nacht – später auch am Tage.  Ein Teilstück der Probestrecke in Frankreich führte durch stark bergiges Gelände und hatte 17 scharfe Kurven.  Als ich das erste Mal auf dieser Strecke mitfuhr, sagte ich dem Testfahrer, er solle nicht zögern und nur tüchtig drauf losfahren, damit ich sehen könne, wie sich der Wagen verhält.  Worauf mir der Fahrer vergnügt versicherte, es mache ihm eine Freude, mir seine Fähigkeiten zu beweisen.  Es war eine Höllenfahrt – hinauf und hinunter, von einer Kurve zur anderen jagend, mit 130 km Stundengeschwindigkeit.  Wenn es um die Kurven ging, quietschten die Reifen wie junge Ferkel.  Ich hatte mich mit Händen und Füßen am Vordersitz verankert.  Als diese Tortur beendet war, dankte ich dem Testfahrer und sagte ihm, daß ich jetzt noch einmal in eine Fahrschule gehen wolle, um auch zu lernen, wie man einen Testwagen erprobt.  Ein etwas wehmütiges Lächeln war seine einzige Reaktion.“

So wuchs der neue Wagen aus seinen Kinderschuhen heraus, ohne von der Öffentlichkeit bemerkt zu werden.  Im August 1954 wurden die neuen Typen den französischen Händlern vorgestellt.  Anfang September folgte die Presse-Vorführung.  Das Debüt vor dem Publikum erlebte der neue Vedette auf dem Pariser Automobilsalon im Oktober.  Sowohl in der Fachwelt als auch im Käuferpublikum war das Echo ungewöhnlich stark.  „Die wirklich große Neuheit des Salons brachte Ford Poissy“, schrieb „Auto, Motor und Sport“, und weiter: „Am dichtesten von Menschentrauben umlagert waren auf dem Salon die neuen Vedette-Modelle Trianon, Versailles und Régence.  Es sind drei Karosserie-Versionen desselben Typs.  Er ist noch, bevor Ford-Poissy durch Simca übernommen wurde, in Detroit entwickelt worden.“
Der Salon war eine Bestätigung für die Arbeit J.A.Gutzeits und seiner Mitarbeiter: „Als ich dort im Pariser Salon die Begeisterung des Publikums sah, dachte ich an jene Nacht auf dem Flugplatz Le Bourget, als der erste Prototyp in ein großes Flugzeug nach Detroit verladen wurde.  Die Türen des Flugzeugs waren zu eng, und wir mußten sie ausbauen und auch die Stoßstangen, Türgriffe und selbst die Räder des Wagens abmontieren, damit er überhaupt im Rumpf des Flugzeugs untergebracht werden konnte. Wir haben die ganze Nacht schwer daran gearbeitet, und erst beim Morgengrauen hatten wir das Glück, den Vogel aufsteigen und verschwinden zu sehen.  Als Belohnung gönnten wir uns ein großes Glas Cognac und unser Toast galt unserem neuen Wagen dort über den Wolken.“
Inzwischen ist der Versailles nicht mehr neu.  Er rollt über die Straßen der Welt, verkauft und betreut von der Ford-Organisation.  Es werden nicht, wie ursprünglich geplant, 50 Einheiten pro Tag hergestellt, sondern 200.  Der „Vater des Versailles“ darf mit seinem Kind zufrieden sein.
Im Verlauf dieser Entwicklungsgeschichte eines internationalen Automobils haben wir J.A.Gutzeit kennengelernt, der durch seine technische Ausbildung in Deutschland und Frankreich viel Verständnis für europäische Kundenforderungen hat. Seit 1932 ist er bei Ford. Zuerst in Straßburg als Konstrukteur bis 1938. Zuvor arbeitete er vier Jahre lang bei Citroën und Unic in Paris. Er war beteiligt am Aufbau des Ford Werkes in Poissy.  Im Jahre 1940 ging er in die USA und war dort unter anderem zwei Jahre als Konstrukteur für Lastwagen und fünf Jahre hindurch als Konstrukteur und Staff Engineer für Mercury und Lincoln tätig. Anfang 1949 wurde er von der Ford International Division übernommen, arbeitete als Berater in verschiedenen Übersee-Filialen von Ford und war fünf Jahre lang Manager des Foreign Products Engineering Departments in Dearborn.
Später sitzt er an seinem Schreibtisch in Köln – wenigstens zuweilen, denn in seiner erfrischend unkonventionellen Art hält er nicht viel vom Sitzen hinter Direktions-Schreibtischen.  Es soll Leute geben, die sich veranlaßt fühlen, mit jeder Handbewegung und jedem Räuspern darauf hinzuweisen, daß sie es bis zum Direktor gebracht haben.  Erzwungene Attribute solcher Art sind J.A.Gutzeit fremd.  Das hängt wohl damit zusammen, daß er nicht nur eine Menge von Automobilen versteht, sondern auch von den Menschen, die sie bauen, verkaufen, erwerben und selbst von solchen, die vorerst noch nicht in der Lage sind, sie zu erwerben.

Beim Produktionsbeginn 1954 hieß das normale Modell Versailles, dazu gab es eine einfachere Version mit dem Namen Trianon und eine Luxusversion, die auf den Namen Régence hörte.  Etwas später kam der Kombi mit dem Namen Marly hinzu.  Alle diese Fahrzeuge hatten einen 2,3 Liter V8 Motor, vier Türen und McPherson Federbeine vorn.  Ab 1957 wurde der Trianon durch das Modell Ariane ersetzt, wobei der Ariane 4  mit dem 1,3 Liter Motor aus dem Simca Aronde lausgestattet war, während der Ariane 8 den bekannten V8 Motor aufwies.  Der Versailles hieß nun Beaulieu und wer die Luxusversion wollte, musste anstelle eines Régence einen Chambord bestellen. Die Markenbezeichnung war in Frankreich Vedette und wurde von SIMCA betreut, während die Fahrzeuge im übrigen Europa von Ford vertrieben wurden. 

Vedette 1956
Vedette 1956

1958 erfolgte erneut eine Namensänderung in Beaulieu, Chambord und Presidence (mit verlängertem Radstand für den franz. Staatspräsidenten Charles de Gaulle). Sogar Karmann in Osnabrück baute ein zweitüriges Cabriolet auf Basis der SIMCA Chambord. Chapron baut zudem zwei 2-türige Presidence Cabriolets für einen Gouverneur in den Kolonien. Die Motorleistung stieg erneut. Nun wird sogar in die USA exportiert, die Fahrzeuge wurden dort vom Ford Konkurrenten Chrysler vertrieben! Selbst Mao ließ sich von der Vedette inspirieren. Seine erste, chinesische Staatslimousine  Dongfeng CA72 ‘Jinlong’ ähnelt optisch sehr der ersten SIMCA Vedette. Mindestens ein Fahrzeug wurde dazu nach China verschifft.

Am 9. Februar 1961 verläßt die letzte Vedette das Werk in Poissy. Ab 1961 verlagert SIMCA die Produktion der ehemaligen Vedette nach Belo Horizonte in Brasilien, auch dort liefen noch bis 1969 als SIMCA Esplanada und Jangada (Kombi) mit OHV V8-60 Motoren (ähnlich den ARDUN Flathead Umbauten) vom Band.  Auch in Australien montierte Chrysler 1958 bis 1962 die Vedette.

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