Ford
Russland
ΓΑЗ - GAZ - NNAZ Gorkovsky Avtomobilny Zavod
Das Banner kündet stolz von der Erfüllung des
5-Jahres-Plans durch den ersten in der Sowjetunion gebauten Ford
Ford begann recht früh Fahrzeuge in das Zarenreich zu liefern. Die ersten russische Ford-Händler in Moskau, Sankt-Petersburg (im Hotel "Rußland" an der Petrowski Straße), Odessa, im damals russischen Warschau, Riga und Helsinki wurden im Jahr 1907 ernannt (erstes verkauftes N-Modell 1909). Laut Zollstatistik wurden 563 Ford in der Zarenzeit importiert. Das erste T-Modell (Preis damals 3.500 Rubel) wurde 1910 in Moskau zugelassen, wobei es in Russland allerdings eher Traktoren waren, die Ford nach der Russischen Revolution populär machten. Schon 1919 kam es zu Lizenzverträgen. 49.568 dieser minderwertigen Fordson Traktor Raubkopien "Fordson-Putilowez" wurden ab 1924 im Sawod Krasny Putilowez (Rotes Putilow’sches Werk) Leningrad gebaut und auf der Moskauer Landwirtschaftsmesse präsentiert. Das Kirov Werk baut übrigens noch heute Traktoren, die mit Deutz-Motoren auch in das westliche Ausland exportiert werden.
1925 verkauft Ford 162 PKW, 463 LKW und 10.515 Traktoren. Ab 1931 begann die Sowjetunion an anderen Standorten größere Traktoren zu bauen und so lief 1932 der letzte "Fordzon" vom Band. Die Fordson-Traktoren leisteten einen wichtigen Beitrag zum Aufschwung der Sowjetunion. So waren dort bis zum Jahr 1926 über 25.000 Traktoren im Einsatz, was zu einer Umwälzung der landwirtschaftlichen Arbeitsverfahren führte. Schon 1928 waren 85% aller sowjetischen Traktoren und LKW Ford Modelle.
1908
erreichte ein Ford den dritten Platz in seiner Klasse beim Rennen um den
Zarenpokal. Der
Automobilclub St. Petersburg richtete
im Mai 1912 ein Langstreckenfahrt unter der Schirmherrschaft des Zaren
aus. Das teilnehmende Ford T-Modell wurde nach über 3.000 km von
Zar Nikolas II als das geeignetste für die russische Armee
empfohlen.
Im Februar 1913 siegte eine "Tin Lizzy" beim Rennen von St.
Petersburg über Eis nach Kronstadt. Bis zur Oktoberrevolution war
Ford die beliebteste Marke im Zarenreich.
Als Teil seines ersten Fünfjahresplan
versuchte Stalin die Automobilindustrie zu entwickeln. 1919
unterzeichnet Ford mit Ivan Stacheyev & Co. einen Vertrag zur
Lieferung von 400 Fahrzeugen in vier Jahren. 1929 unterzeichnete Ford
einen Lizenzvertrag sowie die Lieferung von 72.000 zerlegten Fahrzeugen
bis 1933 in die UdSSR. Zudem wurden über Murmansk aus den USA
verschiffte, zerlegte, offene Modell
A ab 1930 in der Moskauer "KIM" Fabrik montiert. Eigene
Modelle baute KIM zunächst nicht, da den sowjetischen Ingenieuren das
Know-how noch fehlte. Später wurde auch der LKW AA gebaut.
Die
amerikanische
Firma Austin & K (nicht zu verwechseln mit dem englischen
Kfz-Hersteller) plante ein neues Werk
mit einer Kapazität von 140.000 Fahrzeugen pro Jahr.
Nizhny Novgorod sollte zur sowjetischen
Modellstadt werden und das GAZ ("Gorki Auto Zavod" zuvor NAZ) Werk
35.000 Arbeiter
beschäftigen. Im Mai 1930 begannen die Bauarbeiten, die schon im November
1931 beendet werden konnten. Am 29. Januar 1932 verließ der erste im
Lizenz gebaute NAZ-AA LKW "Polutorka" (angelehnt an
seine 1½ Tonnen Nutzlast) das russische Werk. Am 6. Dezember folgte der
erste Modell-A PKW von bis 1936 insg. 41.917
gebauten. Der GAZ A "Gazik" (Nizhny Novgorod wurde in Gorki
umbenannt, somit änderte sich die Typenbezeichnung) ist nur an der
fehlenden Hupe und dem Kühlergrill vom amerikanischen Original Bj. 1930 zu
unterscheiden. Kupplungsgehäuse, Lenkung und Luftfilter wurden verstärkt.
Einige wenige wurden als viertürige Limousine bei Aremkuz in Moskau
gebaut, auf die Fahrgestelle wurden auch verschiedene gepanzerte Karossen
gesetzt und noch im Zweiten Weltkrieg eingesetzt.
1935 wird der 100.000ste GAZ in einem zweiten Werk fertiggestellt. Die
Fabrik hatte vom ersten Tag an mit Schwierigkeiten zu kämpfen und stellte
1932 nur 24.000 A-Modelle her - anvisiert war ein Produktionsziel von
140.000 Fahrzeugen. Ford bleibt auf seinen Investitionen in Höhe von 3,5
Millionen Dollar sitzen - die Russen zahlten keinen Cent. So endete der
Vertrag im Jahr 1935, doch der von den Russen gebaute Ford leistete einen
wichtigen Beitrag zur Entwicklung der russischen Automobilindustrie. Ende
der 30er Jahre stammten rund 70% aller dortigen Kraftfahrzeuge von
GAZ, mehr als eine Million GAZ-AA wurden gebaut.
Bald werden die Fahrzeuge für die heimischen Bedürfnisse angepasst: Die
dreiachsige Variante GAZ AAA - ähnlich der amerik. "Timken-Ford" -
erlaubte ab 1934 eine Nutzlast von zwei Tonnen. Holzgasgeneratoren
gestatten den Betrieb ohne Benzin, Raupenantriebe die Fahrt in unwegsamen
Gelände oder bei schlechter Witterung. 1937 wurde die Leistung des AA
Motors von 40 auf 50 PS (GAZ MM) erhöht.
Dabei wurden Weiterentwicklungen der amerikanischen Ford nicht übernommen,
die "Russki-Ford" werden während des Zweiten Weltkriegs und noch bis in
die 50er Jahre fast unverändert gebaut. Nur die Materialknappheit
erforderte Einsparungen: Führerhaus aus Sperrholz, Stoffdach, nur ein
Scheinwerfer vorne, Holztüren, keine Stoßstangen, eckige Kotflügel vorne,
hinten nur
einzelbereift und sogar die Vorderradbremsen wurden im Krieg weggelassen.
Rund 152.000 GAZ AA/MM waren bei der Roten Armee im Kriegseinsatz. Sie
begnügten sich mit schlechtem Kraftstoff, vernachlässigter Wartung und
unerfahrenen Fahrern. Einige blieben bis in die 60er Jahre im Einsatz.
In kleineren Stückzahlen wurden GAZ-AA und GAZ-03-30 Bus-Karosserien ab
1932 auch bei ATUL (Avto Transportnoje Upravlenije Lensoveta) im damaligen
Leningrad gebaut. GAZ-13 Busse auf GAZ MM Chassis, ähnlich dem V8-51,
blieben Prototypen. 1935 kommt es wegen Vertrags-Nichterfüllung seitens
der UdSSR zur Abberufung der russischen Studenten aus dem amerikanischen
"Rouge River" Werk. Die Zusammenarbeit mit Ford endete somit vorerst.
GAZ M1, dem '34er Ford noch sehr ähnlich
Der GAZ M1 (M für Molotovets) ist die erste Eigenentwicklung der Russen, nachdem sich Chefkonstrukteur A. A. Lipgart weigerte einfach die Amerikaner zu kopieren. Dennoch erinnert der "Emka" stark an einen '34er Ford V8. Statt dessen Achtzylinder kommt jedoch wieder der Vierzylinder mit nun 50 PS zum Einsatz. Das Fahrgestell wird verstärkt, vier Längsblattfedern ersetzen die beiden Ford-typischen Querfedern, die sich für russische Straßenverhältnisse als völlig ungeeignet erwiesen hatten. Für die Formgebung des neuen GAZ sorgte die eigene Design Abteilung. 1937 wurde der M1 sogar auf der Pariser Weltausstellung präsentiert. Bis in die 50er Jahre blieb dieser Typ fast ohne Änderung im Bau und diente auch als Basis für den GAZ-415 Pick-Up. Der GAZ-11 bekam statt des Vierzylinders einen 3,5 Liter Sechszylinder, eine Kopie des Dodge D5 Motors. Bald wurde der stärkere Motor auch in die LKW verbaut. Der GAZ 61 kann als einer der ersten PKW mit Allrad-Antrieb gelten. Verantwortlich für dessen Entwicklung zeichnete V.A. Gratchev. Der 4x4 konnte 38° steile Hänge und 720 mm tiefe Wasserläufe bezwingen.
Die Moskauer Fabrik KIM versuchte sich 1940 an einer Kopie des englischen Ford Prefect als КИМ 10. Die Karosserie ähnelt der des damaligen Opel Kadett, es gab ihn als 10-51 viertürige Limousine und als 10-52 Cabrio. Es entstanden nur rund 250 Fahrzeuge, von denen keine in den freien Verkauf gelangten. Als kriegstauglich wurde dieser Wagen nicht eingestuft und die Produktion somit 1941 eingestellt.
Im Zweiten Weltkrieg wurden Panzer und Amphibienfahrzeuge gebaut, aber auch amerikanische Lend-Lease LKW wie der Ford G8T montiert. Vor den eindringenden deutschen Truppen wurde ein Teil der Produktion in das Ulianovskiy Avto Sborochnyi Zavod (UAZ) Werk verlegt. Dort begann dir Produktion im Februar 1942. Im Sommer 1943 wurden große Teile des Werks durch Luftangriffe zerstört. GAZ fungiert nach Kriegsende als wichtiger Rüstungskonzern und liefert u.a. Raketenwerfer auf LKW Chassis.
GAZ 24 Wolga
Weitere Meilensteine sind die Wolga Limousinen, die in der DDR als Taxi weite Verbreitung fanden und in Belgien mit Indenor Diesel montiert wurden. Auch die kommunistischen Parteioberhäupter fuhren GAZ, den "Tschaika" (Seemöwe) sowie ZIS/ZIM und ZIL (allesamt amerikanischen Luxuslimousinen nachempfunden). Stalin war ein leidenschaftlicher Liebhaber ausländischer Autos. Nachdem er 1940 auf einer Ausstellung im Kreml Modelle von Opel und Ford gesehen hatte, wollte er auch ein UdSSR-Massenprodukt. Sein Wunsch war Befehl und erwies sich als die Geburtsstunde des Moskwitsch. Eine sowjetische Delegation reiste nach Detroit in die USA. Mit Unterstützung der dortigen Automobilhersteller wurde in der Sowjetunion das Moskwitsch-Werk gegründet, das bis zum Zusammenbruch der UdSSR existierte.
Auf der Amerika Ausstellung in Moskau 1959 stellte auch Ford aus. 1970 reisten Henry Ford II und Gemahlin nach Moskau sowie das neue Wolga Werk, letztlich scheiterten aber die Verhandlungen zum Bau eines neuen LKW Werks am Kama Fluss mit einer Kapazität von 150.000 Fahrzeugen jährlich.
Ende
der
80er Jahre wandte sich die russische Seite erneut an die Ford Werke
mit der Bitte das Automobilwerk in Gorki zu modernisieren,
damit dort wieder ein Ford produziert werden könnte. Die
Überlegung war, dass Ford für diese Aufgabe besonders prädestiniert
sein müsste, weil das Werk in Gorki ja unter Ford Regie gebaut worden
war. Es reiste daraufhin tatsächlich ein Team von Ford Experten zur
Besichtigung des Werkes nach Gorki – kein triviales Unternehmen,
schließlich war Gorki eine ‚geschlossene Stadt‘. Das Team zog eine
eher ernüchternde Bilanz: Seit in Gorki das A-Modell
produziert worden war, hatte es offenbar keine wesentlichen
technologischen Fortschritte gegeben. Aus musealer Sicht natürlich
interessant, an eine Modernisierung wollte man aber lieber gar nicht
denken. Stattdessen wurde eine Alternative formuliert: Ford würde
ein komplettes neues Werk schlüsselfertig an die Wolga stellen, gleich
neben das alte Werk. Über das neue Produkt gab es schon recht klare
Vorstellungen. Die Russen wollten den Scorpio, mit dem sich Ford
im europäischen Markt mit einem technisch anspruchsvollen Fahrzeug
positioniert hatte.
Ford arbeitete ein Vertragswerk dazu aus, in dem geregelt werden sollte,
welche Technologien den Russen zugänglich werden durften. So ganz
konfliktfrei lief das allerdings nicht ab. Das EEC IV Modul für
die Motorsteuerung spielte eine wichtige Rolle. Damals bezüglich
Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Programmierbarkeit ein äußerst
attraktiver Baustein für eine moderne Motorsteuerung, hatte Ford die
Modelle erklärtermaßen gegen das Auslesen der Programmierung
geschützt. Und nicht nur das: jeder Versuch, entgegen der
geschlossenen Vereinbarung den Code zu lesen, würde im Modul
gespeichert. An einem Versuchsfahrzeug, das auf dem LADA
Testgelände gequält werden sollte, wurde bald ein Versuch registriert und
unter vier Augen wurde dem russischen Sicherheitsoffizier mitgeteilt, daß
‚Irgendjemand‘ sich an dem EEC IV zu schaffen gemacht hatte. Der
Hinweis wurde verstanden und es blieb bei diesem einen Versuch.
Auch das Ford Team lernte dazu. Was dem zunächst europäisch spezifizierten
Scorpio auf dem Testgelände blühte, ging offenbar weit über die
Beanspruchungen hinaus, die die Ford Testgelände Lommel und Romeo
bereithielten. Das letztendlich vorgeschlagene Russland-taugliche
Produkt wies eine Starrachse hinten und im Fahrwerksbereich zahlreiche
Verstärkungen auf. Dass ein Lada 1200 beinahe 100 kg schwerer
ausfiel als ein Fiat 124, war ja auch kein Zufall.
Dann kam das unrühmliche Ende des Projekts. Man war über Produkt und
Werk bereits einig geworden und Michail Gorbatschow hatte die Verträge
bereits unterschrieben. In der Duma fand das Vertragswerk allerdings
keine Gnade und wurde nicht ratifiziert. Grund war ein Passus, auf
den die amerikanischen Ford Vertragspartner bestanden: Im Falle einer
Verstaatlichung des Werkes sollte eine Entschädigung in vorbestimmter Höhe
an Ford gezahlt werden. Offenbar war der Gedanke an eine
Verstaatlichung den Mitgliedern der Duma doch noch nicht so abwegig
vorgekommen.
Heute baut GAZ hauptsächlich den Ford Transit ähnlichen "Gazelle" Lieferwagen, Geländefahrzeuge und den Wolga, der immer noch gerne als Taxi eingesetzt wird. Es hatte sich auch schon ein deutscher Importeur gefunden, der den Wagen für 14.990 Euro mit einem Pumpe-Düse Diesel in Steyr Lizenz verkaufen wollte. Doch GAZ stellte die Produktion des Wolga 2009 ein. Es wird keine Weiterentwicklung geben, stattdessen wird man sich auf die Montage von Kleinbussen und ausländischen PKW konzentrieren. 2006 übernimmt GAZ das englische Nutzfahrzeugunternehmen Leyland DAF Vans (LDV), das zeitweise vom ex-Ford Manager Martin Leach geführt wurde.
Seit 1992 gab es wieder Ford Händler in Russland. Im März 1996 eröffnet Ford seine Handelsmission in Moskau. Am 30.7.1997 wird in Obchak bei Minsk (Weißrussland) das "Ford-Union" Montagewerk (ein Joint-Venture mit Lada OMC und der weißrussischen Regierung) für Escort und Transit eröffnet, das jedoch nur bis Mai 2000 produziert. Seit 2002 wurden im ehemaligen Russkij Diesel Werk Wsewoloschsk nahe St. Petersburg Focus und Mondeo gebaut. 2011 geht Ford ein Joint-Venture mit der russischen Firma Sollers an, in Teilen des alten KAMAZ Werks in Tatarstan laufen weitere Modelle (Explorer, Ecosport, Transit usw.) vom Band. Im Juni 2019 wurde die PKW Produktion bei Ford-Sollers eingestellt, nach dem Ukraine Krieg 2022 stoppt Ford alle Aktivitäten in Russland.
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