Motor Vehicle Sundown
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Rund zwanzig Kraftfahrzeuge aller Art, vom Armee-Jeep bis zum Feuerwehr Leiterwagen, fanden sich unter der Leitung von Larry Miller pünktlich zum Sonnenuntergang ein. Die Kunstbegeisterung unserer Mitglieder muss recht groß sein, denn mit 16 Fahrzeugen stellte der FOMCC den Löwenanteil der Akteure. Festlich bekleidet "musizierten" die Künstler in ihren Fahrzeugen. Nach einer Partitur wurden die Scheinwerfer aufgeblendet, der 57er Käfer ließ seine Winker auf und ab wippen, die alte 6 Volt Sirene der FK1000 Feuerwehr heulte auf und am kleinen Ford Popular wurde die Motorhaube zugeklappt. Andere trommelten auf ihrem UNIMOG Armaturenbrett oder schlugen die Türen eines Knudsen Taunus zu. Brechts Event wird gerne als ein medienübergreifendes Ereignis bezeichnet, das die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Künste zelebriert und persifliert.
Die Zuschauer waren begeistert, nach rund einer halben Stunde war der Spuk in der Abenddämmerung wieder vorbei – live übertragen vom WDR-Fernsehen. Frenetischer Applaus für uns Oldtimer-Liebhaber, die ein sicherlich einmaliges Erlebnis in Erinnerung behalten werden. Die Brecht Werkschau ist noch bis zum 8. Januar 2006 im Museum Ludwig zu sehen.
Der Sonnenuntergang der Kraftfahrzeuge
Brecht, dem das Museum Ludwig gerade eine umfassende Retrospektive widmet, ist ein maßgeblicher Vertreter des Fluxus, einer Kunstrichtung der 60er Jahre, die eine philosophische Kunst des Alltäglichen, des scheinbar Banalen pflegt. Da Brecht selbst seit Jahrzehnten völlig zurückgezogen in Köln lebt, übernahm sein Kollege Larry Miller das ungewöhnliche „Dirigat“. Zunächst händigte er den Herren und Damen Musikern, also den Fahrzeughaltern, die „Noten“ aus - in diesem Falle einen Stapel von Handlungsanweisungen. Die Ausführenden waren eine ebenso bunte Mischung wie die Fahrzeuge selbst: stolze Besitzer wertvoller Oldtimer in Abendkleidung, daneben Polizeibeamte aus Brühl, ein Bundeswehroffizier, ein Feuerwehrmann und Mitarbeiter der Abfallbeseitigung - Fluxus ist schließlich eine soziale Kunst, die Menschen zusammenbringt.
Miller bat die „Musiker“ in ihre Autos, zählte kurz an - und das Konzert begann. Ein Motor röhrte, der Feuerwehrkran setzte sich in Bewegung, Türen klappten auf und zu, eine Sirene ertönte. Belustigt, aber auch fasziniert streiften die zahlreichen Besucher von einem „Instrument“ zum nächsten und versuchten, die Aktionskarten der Mitwirkenden zu entziffern. Da stand etwa: „Gas geben Motor beschleunigen“, „Kofferraum öffnen und schließen“. Vereinzeltes Hupen, der Camper ließ sein Verdeck herunter, zwei junge Männer trommelten auf der Armatur ihrer Isetta, ein einzigartiger Lärm unter der grandiosen Kulisse des Doms. Nach gut zehn Minuten war der ganze Spuk vorbei. Die Musiker versammelten sich auf der Bühne und verbeugten sich. Großer Applaus, zufriedene Mienen bei Publikum und Beteiligten. Schade, dass George Brecht selbst nicht mit dabei war.
VON ENNO STAHL
Eine Reihe betagter, zum Teil sehr skurriler Automobile gab sich auf dem Roncalliplatz ein Stelldichein: ein Alvis TA 14, Baujahr 1946/47, ein Ford Capri, berüchtigter Vorgänger des Mantas aus den 70er Jahren, natürlich ein alter Käfer, ein Ford Popular von 1958, aber auch eine Isetta, ein Polizei-Wartburg, ein Geländewagen des Grünflächenamts und ein Camper. Die insgesamt zwanzig Fahrzeuge bildeten kein Kuriositätenkabinett, sondern das Szenario für George Brechts Aktionskonzert „Motor Vehicle Sundown“, auf Deutsch „Kraftfahrzeug-Sonnenuntergang“.
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Nicht das wirkliche Werk Brechts
Ein „medienübergreifendes Ereignis, das die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Künste zelebriert und persifliert“ kündigte das Museum Ludwig an. Anlässlich der umfassenden Ausstellung George Brecht – Events. Eine Heterospektive wurde Brechts Komposition Motor Vehicle Sundown (Event) To John Cage, deren Premiere in den frühen 1960er Jahren in New Jersey stattfand, zum ersten Mal in Europa inszeniert. Zu diesem Zwecke waren 20 Fahrzeuge aller Art auf dem Roncalliplatz im Schatten des Domes im Kreis aufgestellt worden. Bei Anbruch der Dämmerung teilte Larry Miller an die Fahrer/Musiker die „Noten“, das heißt Karten mit Anweisungen wie „Gas geben“, „Kofferraum öffnen und schließen“, „Hupen“ aus. Dann gab er den Takt an und bat die Beteiligten, Position zu beziehen. Das Konzert begann, und es endete gut zehn Minuten später, als das letzte Orchestermitglied sein Spiel beendet hatte. Larry Miller verbeugte sich, das Publikum klatschte und löste sich auf; das Fluxus-Ereignis war vorüber. Stattgefunden hatte es in Abwesenheit des Komponisten George Brecht, ebenso wie schon tags zuvor die Eröffnung der Ausstellung ohne die Anwesenheit des Künstlers auskommen musste.
Trotz seines in Kennerkreisen als entscheidend anerkannten Einflusses auf die Fluxus-Bewegung gehört George Brecht zu den großen Unbekannten der Kunst. Einige der wesentlichen Markierungen in seinem Lebenslauf seien daher kurz bezeichnet: Während des Zweiten Weltkriegs war der 1926 in New York als George MacDiarmid geborene Künstler in Deutschland stationiert und änderte hier seinen Namen in Brecht. Er studierte Kunst und Chemie in Philadelphia. Bis in die 60er Jahre hinein arbeitete George Brecht als Chemiker und entwickelte und patentierte Tampon-Produkte – Studien hierfür sind auch in der Ausstellung zu sehen. In dieser Zeit lernte Brecht John Cage kennen, dessen Schüler er wurde, gemeinsam mit unter anderen Al Hansen, Allan Kaprow und Dick Higgins. Brecht schuf zufallsgeprägte Gemälde, so genannte Chance Paintings, schrieb Partituren und entwickelte sein naturwissenschaftlich geprägtes Konzept des „event“. Ab 1962 beteiligte er sich an Fluxus-Aktionen und -Festivals. Es folgten zahlreiche Events, Ausstellungen und Projekte. Seit 1971 lebt George Brecht zurückgezogen in Köln.
Dass es dem Museum Ludwig nun gelungen ist, dem scheuen Künstler eine große Einzelausstellung auszurichten, kann, wenn vielleicht nicht gerade als die ausgerufene Sensation – übrigens ebenfalls ein überstrapazierter Begriff – so doch als äußerst befriedigender Erfolg gewertet werden.
Im Mittelpunkt der von Julia Robinson und Alfred M. Fischer kuratierten Ausstellung stehen Brechts Event-Objekte der 60er und 70er Jahre. Dazu gehört The Case (Suit Case), das Brecht 1959 in New York bei seiner ersten Einzelausstellung präsentierte. Die darin enthaltenen Alltagsgegenstände sollten vom Betrachter entnommen und „ihrer Bestimmung gemäß“ benutzt, anschließend sollte der Koffer wieder gefüllt werden. Dieses Konzept, das auch bei Robert Rauschenberg begegnet, wird heute nicht mehr befolgt – da sind Leihgeber und Konservatoren vor. So steht der Koffer in der Ausstellung und begründet mit seiner musealisierten Existenz des Künstlers Desinteresse an Museumsausstellungen ebenso wie den Hinweis der Kuratoren, die Ausstellung zeige nicht das „wirkliche“ Werk George Brechts, dessen wesentliche Aspekte in Ereignis, Situation und Erfahrung bestehen.
Demzufolge drängt sich beim Gang durch die Ausstellung der Eindruck einer Präsentation historischer Dokumente oder archäologischer Überreste auf. Umso bestechender, ja, fast möchte man bezaubernder sagen, wenn uns dann unverhofft einige Werke ganz und gar unvermittelt treffen, wie beispielsweise die erstmalig komplett gezeigte funkelnde Serie der Crystal Boxes von 1978 oder das feine StückCabinet von 1959 ( realisiert 1964). Mancher Objekt gewordene Fluxus-Gedanke kann sich also doch auch im Museumsraum behaupten.
George Brecht – Events. Eine Heterospektive, Museum Ludwig Köln, bis 8. Januar 2006, Museum Ludwig, Bischofsgartenstr. 1, 50667 Köln, ab Mai 2006 im MACBA, Barcelona
Barbara Josepha Scheuermann
Ein Hupkonzert wie von tausend Trompeten hat man vielleicht erwartet oder zumindest einen Heidenlärm. Doch George Brechts Motor Vehicle Sundown auf dem Roncalliplatz vor dem Kölner Dom entpuppte sich als Ereignis – um nicht schon hier den nahe liegenden, aber inzwischen leider überstrapazierten Begriff des „event“ zu benutzen – das mehr als durch die Geräusche der „Motor Vehicles“ von der heiteren Mobilitität des Publikums geprägt war. Vom alten VW-Käfer, in dem auf die Hupe gedrückt wurde, hasteten amüsierte „Konzertbesucher“ und neugierige Passanten hin zum Ford Capri, dessen Türen vom Fahrer auf und zu geschlagen wurden, und darauf quer über den Platz hinter dem „Dirigenten“ und Fluxus-Künstler Larry Miller her, der sich bei den Insassen eines LKW erkundigte, wie weit man denn mit dem Stück sei.