Ford's Karosserieschneider (Teil 10)
Nordwestdeutscher Fahrzeugbau (NWF)
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Bahnhof Daun

belgische Armee Ambulanz

das Flugzeug der Landstraße

Fuldamobil

Schi-Stra-Bus
NWF steht für Nordwestdeutscher Fahrzeugbau, ein 1946 in Wilhelmshaven gegründetes Unternehmen, das sich den ehemaligen Hallen des Marine-Artillerie-Depots angesiedelt hatte. NWF wuchs schnell und bald wurden neben Handkarren und landwirtschaftlichen Anhängern anspruchsvolle Aufbauten, Personenanhänger, Koffer für Postlaster und Mannschaftswagen für den neugegründeten Bundesgrenzschutz gefertigt. Bereits 1948 hatte Ford bei NWF 100 Busse bestellt. Mit dem Einstieg von Krauss-Maffei, München, im Jahr 1949 erhielt die Gesellschaft Kapital und somit auch die Möglichkeit, Ideen für eigene Fahrzeuge umzusetzen.
Nun wollte man etwas Zukunftsweisendes. So begann 1950 die Entwicklung eines Stromlinienbusses, der in Zusammenarbeit mit dem Flugzeugkonstrukteur Prof. Heinrich Focke entstand. Die selbsttragende Karosserie präsentierte sich in avantgardistischer Zeppelinform. Der niedrige Luftwiderstandsbeiwert verlieh dem mit einem 95 PS Ford V8-Benzinmotor (a.W. Hercules 90 PS Vierzylinder Diesel) im Heck ausgerüstetem Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von über 100 km/h. Dieses „Flugzeug der Landstraße“ wurde auf der ersten IAA 1951 präsentiert und für Ford in Serie gebaut. Monatlich sollten 30 Busse gebaut werden, aber es gab Schwierigkeiten mit dem Motor. Trotzdem propagierte Ford seine Nutzfahrzeuge u.a. auch als Flughafen- und Zubringer- Bus.

Daneben fertigte NWF auch für Krauss-Maffei einen ähnlichen Leichtbus als KML 90 mit Kämper bzw. Deutz Dieselmotor. Ein konventioneller Linienbus in selbsttragender Bauweise und 22 Sitzplätzen war hingegen der NWF BK mit luftgekühltem KHD V6 Diesel im Heck. Für Henschel baute man 1953 den Trolleybus Typ II 6500 mit charakteristischer Zwillings-bereifter Vorderachse.
1952 gehörte der Nordwestdeutsche Fahrzeugbau mit 720 Beschäftigten zu größten Arbeitgebern Wilhelmshavens.

Aber auch auf konventionellen Ford Frontmotorchassis entstanden Busse mit NWF Aufbau. Teilweise als herkömmliche „Haubenschnauzer“, aber auch als moderne Frontlenker. Ein Hauptabnehmer war die frisch gegründete Bundeswehr, ein zweiter die alliierten Streitkräfte.

Ein weiterer Rüstungsauftrag kam aus Belgien. Auf Basis des Ford Rhein (später FK3500) baute NWF in großer Stückzahl Ambulanzen mit Aluminiumaufbau.

Das Fuldamobil wurde zwischen 1950 und 1969 in der Elektromaschinenbau GmbH Fulda gebaut. Die Gesamtstückzahl betrug ca. 7.000. Die allerersten Fuldamobile hatten eine mit Kunstleder überzogene Sperrholzkarosserie, ähnlich wie der Lloyd 300. Später wurde dann eine Aluminiumbeplankung mit Hammerschlageffekt auf einem Holzrahmen verwendet. Zwischen 1954 und 1955 wurde der Kleinstwagen in Lizenz bei den Nordwestdeutschen Fahrzeugwerken NWF im Zweigwerk Lohne südlich von Oldenburg gebaut. Nur 701 „Fuldamobil NWF 200“ sind dort fertiggestellt worden. Die Karosserie weist inzwischen etwas rundlichere Formen auf, ist aber immer noch aus Alu-Blech, geliefert von VDM.
Motorisiert war das Dreirad mit 200 ccm ILO Zweitakt-Motoren; das reichte für etwa 80 km/h. Nachdem der Steuervorteil für Dreiräder 1955 wegfiel gab es auch eine Variante mit vier Rädern, die aber wieder in Fulda gebaut wurde. Cyril Lord zog in Großbritannien eine Produktion auf, das Fuldamobil trug jetzt den Namen "Nobel". Anders als auf dem Kontinent hatte das Wägelchen in Großbritannien eine Kunststoffkarosserie nach einer Lizenz der Bristol Aeroplane Company. Das Chassis wurde von Harland & Wolf in Belfast gefertigt (eigentlich eine Schiffswerft - hier ist u.a. die Titanic gebaut worden!). In Griechenland gab es eine Lizenzproduktion, die bis 1975 lief und das Fuldamobil damit zum am längsten gebauten Kleinstwagen machte.
Das Fuldamobil war mit großer Wahrscheinlichkeit das erste Fahrzeug, das einen negativen Lenkrollradius aufwies. Ein Geniestreich seines Konstrukteurs Norbert Stevenson, der die Tragweite dieser Erfindung allerdings nicht erkannte. Erst 1958 wurde ein Patent an den Diplom-Physiker Fritz Oswald erteilt. Heute lenkt der größte Teil aller Autos mit Frontantrieb und etwa ein Drittel aller Heckantriebswagen nach Stevensons Prinzip.

Noch exotischer ist jedoch das folgende „Zweiwegefahrzeug“. Die Chance, auf der Straße weiterzufahren, wo die Schiene endet, hat ihren Reiz. So präsentierte NWF auf der Frankfurter IAA im März 1953 den als Zweiwegefahrzeug neu konzipierten Stromlinienbus.
Sein rund einen halben Meter längerer Aufbau entsprach dem des Stromlinien-Schnellbusses. Mit einem Gesamtgewicht von 11.200 kg war er aber auch 3,5 Tonnen schwerer, was sich durch den größeren Aufbau, den 6-Zylinder Deutz-Motor und die bautechnischen Einrichtungen für den Zweiwegebetrieb erklärt.
Für die Entscheidung der Bahn zum NWF-Bus, mit einer Kapazität von 43 Personen sitzend und 24 Personen stehend, dürfte der leichte, selbsttragende Aufbau maßgeblich gewesen sein. Er versprach höchste Stabilität und geringes Gewicht. Beide Faktoren hatten große Bedeutung. Bedingt durch das häufige Heben und Senken des Aufbaues für den Rollwagenbetrieb ergaben sich erhebliche Belastungen für den Karosseriekörper, denen traditionelle Rahmenfahrgestelle auf Dauer nicht Stand gehalten hätten. Der Straßenbus sollte während der Eisenbahnfahrt auf zwei zweiachsigen Spurwagen rollen. Diese wurden von der Firma "Waggon- und Maschinenbau GmbH", Donauwörth konstruiert und gebaut.
Damit ruhte die Hauptlast des Omnibusses auf den beiden Spurwagen. Die Vorderräder wurden komplett entlastet und angehoben. Auf die Hinterräder drückte nur noch eine kleine Teillast, die die Antriebsräder des Omnibusses auf die Schienenoberflächen drückt. Dadurch wurde die benötigte Reibung für die Fortbewegung erzeugt. Die Hinterachse war nur einfach bereift. Die Räder waren mit Sonderprofil Reifen ausgerüstet. Die breite Lauffläche ermöglichte eine kraftschlüssige Berührung der Schienenprofile, selbst in engen Gleisbögen. Eine druckluftbetätigte Sandstreueinrichtung ermöglichte die optimale Reibungsausnutzung. Auf den Probefahrten rühmten die Techniker das gute, ausgeglichene Fahrverhalten, selbst bei hohen Geschwindigkeiten und kurvenreichen Strecken.
Der Omnibus verfügt über einen zweiten, schnellen Rückwärtsgang, mit dem ein zügiges Rangieren möglich wurde. Die Höchstgeschwindigkeit in diesem Gang beträgt in der Ebene ca. 40 km/h. Die Bremseinrichtung konnte wahlweise auf Schienen- oder Straßenbetrieb umgestellt werden. Für die Schienenfahrt wurde zusätzlich eine Sicherheitsfahrschaltung und eine Notbremse eingebaut.
Der IAA-Prototyp in Frankfurt fand große Aufmerksamkeit beim Publikum. Es folgten zahlreiche Versuchs- und Testfahrten. Schon Ende 1953 lieferte NWF drei weitere Vorserienfahrzeuge an die Bahn. Mit ihnen nahm man bereits zum Sommerfahrplan 1953 den planmäßigen Verkehr auf der Strecke Cham - Passau auf. Wie groß die Euphorie und der Glaube an die Zukunft der Zweiwegebusse damals gewesen sein muß, zeigt der Umstand, daß noch im Sommer 1953 weitere 50 NWF-Busse bestellt wurden, die bis Mitte 1954 zur Auslieferung kamen. Sie trugen einen Linienschilderkasten auf der Dachkuppel, die Fensterteilung wich ab, vor allem aber verzichtete man auf das übertrieben langgezogene Stromlinien-Heck, wodurch der Aufbau rund 20 cm kürzer ausfiel. Als Antrieb diente unverändert ein 125 PS Deutz-Diesel mit dem der Bus auf der Schiene 120 km/h Höchstgeschwindigkeit fahren durfte. Auf der Straße waren nur 80 km/h zulässig.

Nach der ersten Strecke im Bayerischen Wald folgten bis Mitte 1955 noch vier weitere Abschnitte für den planmäßigen Schiene-Straße Betrieb. Obwohl nun über 50 Fahrzeuge zur Verfügung standen, wurden für die vorgenannten Verbindungen insgesamt nur 15 Busse eingesetzt. Das war also eine teure Fehlinvestition, schon gar wenn man bedenkt, daß der Verkehr bereits nach kurzer Betriebszeit endete. Die anfängliche Begeisterung für den Zweiwegebus war einer deutlichen Ernüchterung gewichen. In den 50er Jahren fuhr der Schi-Stra-Bus morgens von Köln über Andernach, durch das Ahrtal bis Adenau, wechselte in Adenau auf die Straße und fuhr bis an den Bahnhof Daun. Dort wurde er wieder aufgegleist und fuhr auf der Schiene über Wittlich bis nach Bernkastel. Abends ging es in umgekehrter Richtung zurück.
Entgegen anfänglicher Planungen zeichnete sich schon nach wenigen Jahren ein Ende der Einsätze ab. Ein wichtiger Grund war die rasche Entwicklung des Straßennetzes. Erreichten die Schi-Stra-Busse 1955 noch eine Gesamtlaufleistung von 335.000 km, so legten die Fahrzeuge 1960 nur noch knapp 40.000 km zurück. Der letzte planmäßige Einsatz erfolgte am 27. Mai 1967 auf der Linie Betzdorf - Koblenz. Das Konzept war nicht flexibel, dem Schienenbus konnte man keine Anhänger oder Waggons anhängen, um z.B. mehr Personen zu transportieren. Der Betrieb mit den Laufgestellen, das ständige Heben- und Senken war umständlich und störungsanfällig. Hinzu kam die mangelhafte Traktion bei schlechtem Wetter, Schnee und Eis, Laub und Feuchtigkeit auf den Gleisen ließen die Antriebsräder durchrutschen.
Ein Exemplar ist allerdings erhalten geblieben: Es befindet sich heute in restauriertem und voll einsatzfähigem Zustand im Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen.
Nachfragerückgänge und das kostspielige Experiment mit dem Bau des „Fuldamobil“ brachten NWF in wirtschaftliche Probleme. Im Dezember 1955 meldete das mittlerweile 1.200 Beschäftigte umfassende Unternehmen Konkurs an, die Fertigung wurde eingestellt, das Werksgelände wieder für militärische Zwecke der damals jungen Bundeswehr genutzt. Die neue Variante eines Gelenkomnibusses, der die Schienenräder immer mitführen sollte, konnte so nicht mehr verwirklicht werden.

tm




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